21.05.2014 Jannik Höntsch fühlt sich pudelwohl im Haifischbecken

(Von Ingo Feiertag - Südkurier) Jannik Höntsch träumt von Schwimmkarriere. 16-jähriger Konstanzer lebt fern der Heimat im Internat in Halle an der Saale. Wenn Jannik Höntsch auf Heimatbesuch am Bodensee ist, dann ist immer was los. Es bildet sich schnell eine Schwimmertraube um den groß gewachsenen 16-Jährigen, als er im Konstanzer Kur- und Hallenbad ins Becken steigt. Seit etwas mehr als einem Jahr lebt und trainiert das größte Nachwuchstalent der Region nun in Halle an der Saale, doch wenn Höntsch seine Eltern und Geschwister besucht, dann darf seine zweite Familie natürlich auch nicht zu kurz kommen: die Schwimmer von Sparta Konstanz. Höntsch hat einen Plan mit im Gepäck und trainiert wie früher mit seinen alten Bekannten.

 Dann wollen die Jugendlichen natürlich alles wissen von ihrem großen Idol Höntsch, der gar nicht mal viel älter war als sie, als er den großen Schritt nach Sachsen-Anhalt wagte und seine Heimat zurück ließ, um fortan nur für seinen Sport Schwimmen zu leben.

Der gebürtige Konstanzer Jannik Höntsch fühlt sich im Wasser zwar wohler als an Land, dennoch geht für ihn alles Schritt für Schritt – und seine ersten Schritte machte er eben beim SK Sparta. Mit vier Jahren konnte Höntsch längst schwimmen, bereits am Kinderwagen habe eine Schwimmbrille gehangen, sagt sein Vater Johannes Briechle. Der 41-Jährige, heute der 2. Vorsitzende der Spartaner, hat seinem Sohn quasi die Schwimmergene vererbt. Briechle war in den 1990-er Jahren selbst ein erfolgreicher Schwimmer an der Uni im amerikanischen Pennsylvania und in der Bundesliga für Bad Cannstatt. Jetzt spricht er von einem Familienprojekt, wenn er von Sohn Jannik und dessen neuer Heimat erzählt. Stolz ist er auf seinen Filius, auf dessen Talent und Willen – auch wenn es natürlich hart ist, sein Kind mit damals gerade einmal 14 Jahren mehr als 650 Kilometer von zuhause aufs Internat zu schicken. Doch was will ein Vater erwidern, wenn der Sohn sagt: „Ich weiß, was ich will und habe mich für die perfekte Abstimmung zwischen Schule und Sport entschieden."

Der Wechsel nach Halle an der Saale war auch nur der logische nächste Schritt von Janniks Entwicklung. Mit 13 gehörte er zur ersten Rennmannschaft der Konstanzer, 24 Badische Jahrgangstitel hatte er gesammelt, als er merkte: Ich muss etwas verändern, um mich zu verbessern. „Ich musste mich entscheiden, wohin der Weg geht", sagt Höntsch über den vergangenen Winter, als er erstmals das Internat besuchte und dann sehr schnell zusagen musste. „Wir haben uns natürlich für ihn und mit ihm gefreut", sagt sein Vater, der bei der langen Rückfahrt froh war, dass sein Sohn im Auto endlich eingeschlafen war. „Da sind mir die Tränen gekommen und ich konnte den Gefühlen freien Lauf lassen", sagt Briechle. Der Realschullehrer litt, wusste aber auch: „Ihn hier zu behalten, wäre egoistisch gewesen."

Janniks Leben ist der Sport, ist das Schwimmen. Statt wie früher sechs Einheiten pro Woche zu absolvieren, trainiert Höntsch in Halle jetzt zweimal am Tag, zwischen drei und fünf Stunden – unter professionellen Bedingungen bei der hauptamtlichen Trainerin Heike Gabriel. „Ich bin gleich in die große Schwimmfamilie aufgenommen worden und habe Freunde gefunden", sagt der 16-Jährige, dem am leicht fremden Dialekt anzuhören ist, wie wohl er sich in Sachsen-Anhalt inzwischen fühlt.

Dabei entpuppte sich der vermeintlich optimale Wechsel zunächst als Rückschritt. Kaum war Jannik Höntsch in Halle angekommen, da zog er sich eine schmerzhafte Rippenfellentzündung zu. Die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft war dahin, es folgte eine wochenlange Pause. „Ich musste mich auch erst an das neue Tempo dort gewöhnen", sagt er. „Da ist mir das erste Mal bewusst geworden, dass es im Sport nicht immer nur nach oben geht. Ich wusste nicht, ob und wie es weitergeht. So ein richtiges Tief hatte ich vorher nicht." Jannik war allein, weit weg von zuhause und fühlte sich schlecht. Eine echte Bewährungsprobe gleich zu Beginn. Familie und Trainerin stärkten ihm in der schweren Zeit den Rücken, und heute weiß der Realschüler: „Manchmal muss man eben einen Schritt zurück gehen, um zwei nach vorne machen zu können."

Nach der Durststrecke stellten sich die ersten Erfolge dann auch schnell ein. Höntsch belegte mit seiner Mannschaft (Jahrgang 1998/99) beim Deutschen Endkampf Rang sieben, ist zweifacher offener Landesmeister Sachsen-Anhalts über 400m Freistil und 1500m Freistil. Er verbesserte etliche seiner Bestzeiten zum Teil deutlich, über 1500m Freistil zum Beispiel von 17:03,34 Minuten auf 16:15,63, was Rang zwei in der Deutschen Bestenliste 2013 und den Norddeutschen Jahrgangstitel bedeutet. „Ich hätte vor einem Jahr niemals gedacht, dass ich Bundesliga schwimmen darf in einem Team mit Paul Biedermann und dass ich diese Titel gewinnen würde", sagt Höntsch heute. Die Bestzeiten? „Das sind Schritte, aber noch nicht das Ziel, das Ende."

Der nächste Schritt, die nächsten Zwischenziele heißen: „Medaillen über 1500m und 5000m Freistil bei der DM holen und die Normen für den Bundeskader schaffen". Olympische Spiele und Weltmeisterschaften sieht das Talent „mehr als Traum. Wenn es klappt, freue ich mich, jetzt konzentriere ich mich erst mal auf die nationalen Geschichten", sagt Höntsch, dessen Mutter aus Südafrika kommt. Erst will er sich weiter durchsetzen im „Haifischbecken Halle", wie sein Vater es nennt.

Und auch wenn Jannik Höntsch den Bodensee und die Nachmittage im Allensbacher Strandbad vermisst, ist Sachsen-Anhalt manchmal doch gar nicht so weit weg. Als die Zweitliga-Handballerinnen von Halle-Neustadt Anfang April beim SV Allensbach spielten, gehörte Marie Schuhknecht, eine Mitschülerin Höntschs, zum Kader. Da haben Janniks Eltern ihr einfach ein Päckchen mitgegeben mit Schoko-Osterhasen aus der Heimat. (Quelle Südkurier)